Dienstag, 23. Juli 2013

Project Nr. 1: Special School

Vor zwei Wochen habe ich mit meiner Arbeit hier in Afrika begonnen, von Montag bis Mittwoch bin ich in der Special School, Donnerstag und Freitag im Kinderheim. In diesem Blogeintrag werde ich euch was von der Special School erzaehlen.







Als ich zum ersten Mal Montag frueh mit Jacque zur Sahajanand Special School fuhr, wusste ich nicht so recht, was mich hier erwartet. Mir wurde das Projekt von Ex-Volos im Vorhinein sehr empfohlen, ich war neugierig und hab mir gedacht: "Und das probierst du jetzt." Es handelt sich um eine Schule, die irgendwie zur Mtwapa Primary School dazugehoert, weil auch hier die Lehrer streikten, wo ca. 300 Kinder unterrichtet werden, die entweder koerperlich oder geistig irgendwie beeintraechtigt sind. Als ich also das erste Mal das Gate durchschritt, wurde ich nicht nur, wie sonst gewohnt, mit grossen Augen angeguckt, sondern 5-8 Kinder liefen mir schreiend entgegen und und begruessten mich heftig umarmend! Wow, cooler Empfang!




Schulhof OHNE Kinder, ein unglaublich seltener Anblick!




Wir laufen direkt weiter zum Office vom Schuldirektor, Mr. Muzungu! Das ist der genialste Mensch, den ich hier bis jetzt kennenlernen durfte! Ich stelle mich vor, er reicht mir strahlend die Hand, zeigt mir zuerst einmal alle staatlichen Auszeichnungen der Schule, ehe er aufsteht und mich heftig und lange umarmt! (was er uebrigens immer macht, wenn wir uns treffen) Ich war ein bisschen baff, aber es passt so zu ihm!! Er erklaert mir die momentane Lage der Schule: Die Lehrer streiken, aber die Kinder sind grossteils trotzdem da, unbeschaeftigt. Viele Schueler wohnen auch in einem Gebaeude weiter hinten, auch ein paar Strassenkinder, die Mr. Muzungu aufgenommen hat, wohnen hier und besuchen gratis die benachbarte Primary School. Einer davon zeigt mir nachher das riesige Gelaende: Ein riesiger Hof, umgeben von Klassenzimmern, dahinter ein riesiges Gebaeude, wo nur Betten aneinandergereit stehen, ein kleines Waldstueck, viele aeltere verfallene Gebaeude, die als Huehnerstall, Ziegen- und Kuhgehaege fungieren und eine grosse (ueberdachte) Feldkueche. Ausserdem werde ich zu einer grossen Baustelle gefuehrt, hier entsteht ein neuer Wohntrakt und Klassenzimmer, Platz fuer ueber 1000 Schueler!



Die Schlafsaele von aussen...

...und Innen. (Ein heiler Luftballon!! Incredible!!)

Hier wurde frueher unterrichtet, jetzt als Huehnerstall verwendet.

Ein eigener Krankenwagen fuer die Kids, die taeglich in Krankenhaus zur Kontrolle muessen.



Zurueck im Headmaster-Office, Jacque ist wieder nach Hause gefahren (Boda), umarmt mich Mr Muzungu wieder und fragt mich, wie mir alles gefaellt! Er erklaert mir ausserdem, was hier so auf mich zukommt an unterschiedlichen Schuelern (ich weiss nicht genau, wie ich das jetzt schreiben soll, es soll aber auf keinen Fall abwertend oder sonst irgendwie kraenkend sein, ich versuche nur alles moeglichst "originalgetreu", also so, wie es mir selbst mitgeteilt wurde bzw. wie ich es erlebt habe, wiederzugeben): Es gibt Kinder, die aus verschiedenen Gruenden an den Rollstuhl gefesselt, aber ansonsten absolut fit sind, aber auch viele Kinder mit geistiger Behinderung. Eine Besonderheit hier an der Schule sind, so erzaehlt mir Mr Muzungu, einige "Kinder" mit sehr kleinen Koepfen (= microcephaly). Das liegt an den Folgen der Atombomben-Abwuerfen ueber Japan im 2. Weltkrieg, die das Meer nach wie vor belasten und hier in Kenia eine derartige Krankheit verstaerkt ausloest, generell die Kuestengebiete Ostafrikas. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist nicht besonders hoch, aber hier an der Schule gibt es auch erwachsene Schueler mit kleinem Kopf, die aber von der Groesse und vom Aussehen nicht wirklich von den Juengeren unterscheidbar sind. Die Entwicklung ist extrem verzoegert, weil das Hirn aufgrund des kleinen Schaedels an physische Grenzen stoesst, das kann die Sprache, das generelle Wachstum, die Lernfaehigkeit, eigentlich alle Lebensfuntkionen massiv beeintraechtigen, sie werden gemeinsam mit Kindern mit Down Syndrom unterrichtet. Die Schule hat auch 6 eigene Klassen fuer (taub-)stumme Kinder, hier wird in sign language unterrichtet, ich habe schon viele dieser Kinder kennengelernt, und auch ein paar "Woerter" in der kenianischen Sign Language! Im Laufe meiner ersten 2 Wochen habe ich viele dieser Kinder ins Herz geschlossen, aber das geht hier in der Schule sowieso sehr sehr schnell! Man wird hier so herzlich aufgenommen und mit so viel Zuwendung ueberschuettet, das ist einfach total irre hier! Jeder Tag ist anders, man weiss nie, was auf einem zukommen wird, es kann auch total anstrengend werden, aber ich bin bis jetzt immer extrem erschoepft und gluecklich heimgekommen. Aber ich schweife grad total ab...



Im Fernsehzimmer. Sobald ich die Kamera auspacke, flippen alle Kinder vor freude total aus und halten nicht mehr still, deshalb nutze ich die Ablenkung, muss aber in Kauf nehmen, dass alle weggucken. ;-)




Weiters bittet mich Mr Muzungu, wenn ich Lust habe (!), einigen Strassenkids die Computer etwas Naeher zu bringen, also Open Office und so weiter. Das mache ich gern, auch wenn ich mich am Anfang selber etwas einarbeiten musste, weil natuerlich kein Microsoft Windows auf den PCs im Computerszimmer, sondern Ubuntu als Betriebssystem installiert war, was ich zugegeben noch nie gesehen habe. An meinem ersten Tag bin ich dann nach ein bisschen uebers Gelaende gelaufen, habe die Koeche kennengelernt, die gut Englisch koennen und ziemlich lustig drauf sind, immer zum Scherzen bereit (einer von ihnen hat mir eingeredet, dass seine 2 Kollegen Majendula und Kilalo heissen, was so viel bedeutet wie Palmwein von gestern bzw. vorgestern, also alt und aelter, ich haette es eig. wissen muessen ;-), die Strassenkids zeigen mir ein Spiel, bei dem ich in den weiteren Tagen hier noch oft fertiggemacht wurde ( :-P ), und ich spiele mit ganz vielen Kindern, die mir sowieso die ganze Zeit im Rudel nachlaufen, egal wohin, ich versuche mit einigen zu sprechen, was anfangs gar nicht funktioniert, weil die meisten einfach kein Englisch sprechen, und ich kein Swahili, aber irgendwie versteht man sich doch, ich lerne hier sehr schnell auf die Mimik und gestik zu achten und versuche mich auch ein bisschen an der Kenianischen Zeichensprache, aber so richtig klappen tut das leider noch nicht.




Sehr gut angekommen sind bis jetzt die Luftballons, die Kinder flippen immer total aus, wenn ich einen Ballon aus meinem Rucksack hole, schnell bildet sich eine Menschentraube um mich, leider halten die Luftballone meistens nicht laenger als 10 Sekunden, also ist das meistens ein ziemlich kurzer Spass gewesen. Besonders verbluefft war ich dementsprechend immer, wenn ich zwei Stunden nach dem Verteilen immer noch ein paar Kinder mit einem Ballon in der Hand sehe!! Erstaunlich gut funktioniert haben die Seifenblasen (ein Tipp einer ehemaligen Volo, danke Marina!), denn damit koennen sich die Kids stundenlang beschaefitgen, solange man die Dose mit dem Seifenwasser nicht aus der Hand gibt, denn sonst wird das Zeug getrunken, ausgeleert oder im Streit verschuettet, das lernt man hier sehr schnell. Die Kinder kaempfen generell extrem viel um ihren Besitz, niemand goennt dem anderen etwas. Besonders bei den Luftballons habe ich das bemerkt, sie werden dem anderen aus der Hand gerissen, obwohl ich theoretisch genug fuer alle mithatte, und da der Ballon solche Kaempfe, bei denen die Kids nicht gerade zimperlich miteinander umgehen, meist nicht ueberlebt, gibt es dementsprechend Traenen und die nur durch einen neuen Luftballon schnell gestillt werden koennen, so brauche ich ca. 3x so viele wie eig. noetig, und so viele hab ich natuerlich nicht mit, weil Ballons hier in Kenia unverschaemt teuer sind (also in Relation!), da klappen die Seifenblasen viel viel besser, weil da niemand traurig ist, wenn sie zerplatzen, ganz im Gegenteil, und so eine Dose erstaunlich lange haelt!!

 

Total eingeschlagen sind aber (Strassen-)kreiden, es gibt hier leider nur Kreiden fuer die Tafel zu kaufen, die sind dafuer aber ziemlich guenstig (also zum Vergleich: 20 Luftballons sind doppelt so teuer wie 20 Kreiden). Die lassen sich hervorragend in kleinere Stueckchen brechen, somit bekommt jeder was ab und es gibt keinen Streit. Wir malen gemeinsam im Hof bzw. vor den Klassenzimmern, die Kids gucken dabei meistens, was ich zeichne und zeichnen es dann nach, oder besser gesagt, ich muss es dann fuer jedes Kind nochmal in seiner Farbe zeichnen. Als wir dann auf die Idee gekommen sind, unsere Haende nachzumalen, gehts sowieso ab! Ich habe auch versucht, Huepfspiele, Buchstaben, Namen, Brettspiele usw auf den Boden zu malen und damit dann wieder die Kinder spielen zu lassen, was manchmal mehr, manchmal weniger geklappt hat. Mr. Muzungu schaut ab und zu vorbei und grinst an, komischerweise immer, wenn ich menschliches Klettergeruest spielen muss! Mit erhobenen Daumen ruft er mir staendig zu, ich mache hier gute Arbeit und "feel free!!"!







Dieses Spiel der Kinder habe ich bis heute nicht begriffen, aber offensichtlich gewinne ich trotzdem immer :-P (Es funktioniert aehnlich wie Muehle, vermute ich!)




Ich weiss, ich habe hier sehr viele Fotos vom Kreidenmalen, und faktisch nichts brauchbares von den Luftballons und Seifenblasen, das liegt aber schlichtweg daran, dass es einfahc unmoeglich ist, dabei Fotos zu schiessen. Sry!

Auch mit den Fuessen klappt's sehr gut!






Die Strassenkids haben dieses Jahr ein eigenes Projekt begonnen, welches sie mir bereits am ersten Tag hier praesentierten und auch nicht muede werden, mir fast jeden Tag ihren Fortschritt zu zeigen. Sie zuechten aus Pflanzensamen Kartoffeln, Tomaten und eine afrikanische Nutzpflanze, deren Namen ich mir einfach nicht merken will, aber ich finde das schon noch heraus! Die kleinen Pflaenzchen wachsen in einem aus Mosquitonetzen und Stoecken zusammengebauten Beeten im schattigeren Waldstueck neben der Schule, ehe sie dann eingetopft (meist alte Milchpulverdosen), zum Giessen Richtung Haupteingang getragen und dann entweder verkauft oder die Fruechte werden selbst verbraucht, also fuer die Special Kids in der Kueche verkocht! Ich darf beim Umtopfen helfen, werde dabei wie immer von einer kleinen Horde Kindern verfolgt und beobachtet, die aelteren Strassenkids erschrecken die kleineren gerne mit einer kleinen gruenen Schlange, die sich wohl oefters in der Naehe der Beete blicken laesst, angeblich aber nicht sonderlich gefaehrlich sein soll. :-P Afrika....hmmmm..... 









Wenn's mir dann doch zu bunt wird, gehe ich mit der Kindereskorte zum Computerraum, um den Strassenkindern so gut ich kann Word und Excel beizubringen. Aber zuerst werde ich gebeten, die PCs erst einmal zum laufen zu bringen. Meist scheitert es an nicht angeschlossenen Tastaturen, ausgeschaltenen Bildschirmen usw, also total banalen Problemen, die aber die Kinder und Caretaker vor totaler Ratlosigkeit stehen lassen. So repariere ich um die 10 PCs, die Kinder gucken mich an, wie einen Zauberer!







Dann gehts los, ich versuche mit etwas holprigen Englisch die grundlegenden Funktionen vom Open Office zu erklaeren und die Kinder lernen ziemlich schnell, so landen wir schon in der 2. Woche beim Rechnen mit Excel (was ich mir vorher selbst nochmal genauer angucken musste :-P ). Christopher, ein extrem lernwilliger Junge, hat mir eine Woche, nachdem ich ihm das erste Mal ueberhaupt das Schreiben am PC gezeigt habe, einen total coolen Brief geschrieben!


Christopher schreibt mir einen Brief:


...und einen Tag spaeter ein Kiswahili-Woerterbuch!





Ihr merkt schon, mir gefaellt es hier sehr gut, auch wenn es nicht so einfach ist, aber ich sammle hier voellig neue Erfahrungen und geniesse die Zeit mit den Special Kids total! Der Lehrerstreik ist seit dieser Woche zu Ende. Als ich heute Vormittag zur Schule kam, war kein einziges Kind im Hof, ich betrat das erste Mal das Gelaende, ohne komplett umgerannt zu werden, total ungewohnt. Eine Lehrerin namens Mrs. Dulu fuehrte mich durch alle Klassen und stellte mich bei allen Lehrern und Schuelern (die ich ja meistens schon kannte) vor, diese Tour dauerte fast den ganzen Vormittag. Wie meine Zeit hier im geregelten Unterricht aussehen wird, weiss ich selber noch nicht, werde ich aber in den naechsten Wochen erleben und bei Zeiten auch hier schildern! :-)




Den aelteren Strassenkids daugt's. Thx, liebe Jungschar!

Mapensi beim Malen. :-)

Die schoene Helena folgt mir auf Schritt und Tritt.

Surprise!! :-D


Danke fuer's Durchhalten, heute war's mal ein bisschen laenger!
Liebe Gruesse in die Heimat!

Euer Berni



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